Halle (Saale): angemessenes Gedenken an den Terroranschlag vom 9. Oktober 2019 im Jahr 2022 nicht „abbildbar“

22. September 2022 by halle mag dich

Am 9. Oktober 2019 versucht ein schwer bewaffneter Rechtsextremist an Jom Kippur, dem höchsten jüdischen Feiertag, in die im Paulusviertel gelegene Synagoge in Halle (Saale) einzudringen, um die dort versammelten Menschen zu töten. Nachdem er an der Tür scheiterte, erschießt er auf offener Straße eine an ihm vorbeilaufende Frau, im nahegelegenen Kiez-Döner einen Mann und verletzt bei seiner Flucht zwei weitere Menschen. 

Der rechtsterroristische Anschlag wurde vom Täter nicht nur im Internet angekündigt, er „filmte die Tat mit einer Helmkamera und übertrug die Bilder live ins Internet. In dem Video äußert er sich massiv judenfeindlich und bezieht sich auf antisemitische Verschwörungstheorien. In einem im Internet kursierenden Dokument soll der Attentäter als sein Ziel angegeben haben, „so viele Anti-Weiße zu töten wie möglich, vorzugsweise Juden“. (1) In dem menschenverachtenden Manifest finden sich neben antisemitischen, rechtsextremistischen und rassistischen auch antifeministische Äußerungen.

Noch am Abend des 9. Oktober 2019 versammelten sich hunderte Menschen auf dem Marktplatz in Halle, um der Opfer des rechtsterroristischen Terroranschlags zu gedenken. Auch Tage später galt ein Teil des Marktplatzes als Ort, an dem Menschen ihre Anteilnahme und ihre Trauer bekundeten. 

Am 9. Oktober 2022 findet in Halle auf dem Marktplatz der Mitteldeutsche Marathon statt – zeitgleich zum Gedenken an den Terroranschlag von 9. Oktober 2019. Auf die berechtigte Frage an die Stadt, ob man dieses Vorgehen für „richtig und angemessen“ halte, antwortete Grundsatzreferent Oliver Paulsen „man wolle kein öffentliches Gedenken am Mittag auf dem Markt, halte dies auch nicht für sinnvoll.“ Weiterhin teilte Paulsen mit, dass „Solch ein Aufwand, wie bei den Gedenkveranstaltungen im ersten Jahr nach dem Anschlag, nicht abbildbar sei.“ (2)

Die Attentate von Utoya, Christchurch und Halle sind blutige Mahnmale für die immer größer werdende Bedrohung von Verschwörungsideologien und dem daraus erwachsenden Terror von rechts. Und die Stadt Halle (Saale) hält ein angemessenes und dementsprechend respektvolles Gedenken bereits im dritten Jahr nach dem Attentat für „nicht abbildbar“! 

(1) https://www.bpb.de/kurz-knapp/hintergrund-aktuell/316638/der-anschlag-von-halle/

(2) https://dubisthalle.de/mitteldeutscher-marathon-am-terrorgedenktag-stadtverwaltung-haelt-gedenken-auf-dem-markt-nicht-fuer-sinnvoll

Die „Mädels“ von TV Halle – eine Geschichte voller Missverständnisse?

30. Juli 2022 by halle mag dich

TV Halle ist unser Lokalsender. Nahezu alle Menschen, die aus Halle kommen oder in Halle wohnen und leben, kennen den Regionalsender, der am 5. April 1998 den Sendebetrieb aufgenommen hat. Viele lieben die ambitionierte Berichterstattung (vor allem im Sportbereich!) und Sendungen wie „Hallo Halle“ oder die über die Stadtgrenzen hinaus bekannte „Sommertour“. Der Sender stellt einen Mehrwert dar.

TV Halle findet – oder fand (1) – aber nicht nur im linearen Fernsehen statt. Natürlich betreibt TV Halle auch Kanäle auf weiteren Plattformen, zu denen auch soziale Netzwerke wie Facebook und Instagram zählen. Den Accounts folgen insgesamt knapp 90.000 Menschen (Stand August 2022: Facebook 61.352, Instagram ca. 26.800), was eine beträchtliche Reichweite vermuten lässt. Warum der Regionalsender in den sozialen Netzwerken aktiv ist, sollte klar sein: schnelle, direkte Berichterstattung und zeitgemäßes Agieren, um noch mehr Menschen zu erreichen. Auch die, die kein Fernsehgerät ihr eigen nennen.

Die Verantwortlichen bei TV Halle haben zwar die Notwendigkeit der sozialen Netzwerke erkannt, die Betreiber*innen der Social-Media-Accounts jedoch offensichtlich nicht ganz verstanden, wen sie erreichen wollen und tatsächlich erreichen – und das zeitgemäß.

In einem Bericht aus dem Jahr 2020 über die Spiele der Gisa Lions, einem in Halle ansässigen Frauenbasketballteam, spricht TV Halle nicht zum ersten (und nicht zum letzten) Mal von den „Mädels“ anstatt von Basketballspielerinnen oder einfach Frauen (2). Natürlich wurden Hinweise, dass die Nutzung eines Diminutivs in Bezug auf Menschen niemals gut ist und in diesem Kontext zur Reproduktion von Stereotypen führt, ignoriert und Frauen aus einem sportlichen Umfeld wurden weiterhin als „Mädels“ bezeichnet. Auffällig war, dass zum Beispiel die männlichen Akteure des Halleschen Fußballclubs nie als „Jungen“ oder „Buben“ bezeichnet und der Diminutiv nicht angewendet wurde.

Zur Frauenfußballeuropameisterschaft 2022 berichtete natürlich auch der Lokalsender darüber, wie die deutsche Frauen-Nationalmannschaft in England von Sieg zu Sieg eilt – und spricht erneut mit aller Konsequenz von „Mädels“ anstatt von Fußballspielerinnen oder Frauen (3).

Seit Jahren kämpfen die Frauen der deutschen Nationalmannschaft für Gleichberechtigung, Chancengleichheit und die Wertschätzung, die sie verdient haben. Diesen Kampf konnte man vor allem in den Sozialen Medien selten so gut beobachten und erleben wie dieses Jahr zur Euro 2022. Auch im linearen Fernsehen: „Die Fußball-Europameisterschaft hat auch in Deutschland für Rekord-Einschaltquoten gesorgt. Das liegt nicht nur am spielerischen Niveau, sondern auch am gesellschaftlichen Wandel, (…). (4)

Die Fußballerinnen der Nationalmannschaft kämpfen nicht nur gegen Sexismus und Ungleichbehandlung im Sport, für sie findet der Kampf – wie für alle Frauen – auf allen Ebenen und in allen Bereichen des Lebens statt. Dass dieser Kampf notwendig ist, steht außer Frage. Dass er auch nach der Europameisterschaft weitergeführt werden muss, zeigen Aussagen von Fußballerinnen, die regelmäßig mit sexistischen und herabwürdigen Kommentaren konfrontiert werden (5) – dazu zählen auch Verniedlichungen.
Wenn TV Halle weiterhin erwachsene Frauen als „Mädels“ bezeichnet, demnach also ein Diminutiv verwendet, reproduziert der hallesche Lokalsender Stereotype, die zum Fortbestehen alter Rollenbilder beitragen – und Sexismus und Antifeminismus stärken. Fakt: TV Halle bemächtigt sich, in Bezug auf Frauen einen Diminutiv zu verwenden. Aber was ist ein Diminutiv? „Ein Diminutiv bezeichnet die grammatikalische Verkleinerung beziehungsweise Verniedlichung eines Substantivs. Der Begriff kommt von dem lateinischen Wort deminuere, was auf Deutsch vermindern oder verringern bedeutet.“ (6)

In einem Artikel in der MZ (1) wird über den Grund der Einstellung des linearen Sendebetriebs gesprochen: die Sendestrategie werde „zukunftsfähig neu ausgerichtet“, da das ‚lineare Fernsehen in Zeiten von Streaming und Digitalangeboten immer mehr an Bedeutung‘ verliere. Vielleicht ist es ratsam, sich auch gesellschaftlich neu auszurichten und sich auf allen Ebenen und in allen Bereichen des Medienlebens zukunftsfähig zu gestalten.

 

Quellen, Verweise, Links:

(1) https://www.mz.de/lokal/halle-saale/ab-august-on-demand-tv-halle-stellt-linearen-sendebetrieb-ein-3416580

(2) https://www.facebook.com/hallemagdich/posts/3635301829825836

(3) https://www.facebook.com/hallemagdich/posts/5356224707733531

(4) https://www.deutschlandfunk.de/kommentar-das-momentum-fuer-fuessball-der-frauen-ist-da-100.html

(5) https://daserste.ndr.de/panorama/archiv/2022/Fussballerinnen-Sexismus-und-dumme-Sprueche,fussball3490.html

(6) https://www.schreiben.net/artikel/diminutiv-verniedlichung-6518/

 

 

In Zeiten von Covid-19 über „Anstand und Würde“

3. Mai 2020 by halle mag dich

Am gestrigen Tag (02.05.2020) gab´s mal wieder eine Demo auf dem Marktplatz in Halle. Es versammelten sich, um gegen die Corona-Maßnahmen zu demonstrieren, allerlei Menschen. Darunter laut Du bist Halle / Saale „Ex-NPD-Landeschef Steffen Hupka (…), Sven Liebich, Psychoanalytiker Hans-Joachim Maaz, Impfgegner, Fußball-Gewalttäter aber auch Yvette Silbersack, die Frau (…) Andreas Silbersack(s).“ [1]

Richtig gelesen. Zwischen der Haute­vo­lee der Neuen Rechten und VerschwörungstheoretikerInnen, findet sich auch die Frau des FDP-Politikers Andreas Silbersack, der zusammen von FDP Halle und CDU Halle im letzten Jahr als gemeinsamer Kandidat zur Oberbürgermeisterwahl gestellt wurde.

Die beidseitigen Reaktionen auf die Anwesenheit der Familie Silbersack („Er (Andreas Silbersack) selbst stand mit seinem Kind außerhalb der Demo am Rand.“[1]) ließen natürlich nicht lange auf sich warten: Auf der Webseite von Du bist Halle / Saale reagierte Frau Silbersack auf das Kommentar „Hilfe, ein Haufen Irrer in der Stadt.“ wie folgt [1]:

„Dem möchte ich hiermit widersprechen. Ich als Orthopädin und hygienebeauftragte Ärztin in der Sportklinik Halle habe wie andere wache und kritische Bürger auf dem Markt von Halle mein Gesicht gezeigt . Gegen Maskenpflicht , da diese gesundheitsgefährdend sind, für Meinungsfreiheit und gegen Verunglimpfung. Für Anstand uns Würde. Die vermisse ich bei Ihrem Beitrag. Komme Sie doch lieber am Montag , 19 Uhr zur Marktkirche oder nächsten Samstag wieder 15:30 Uhr auf den Marktplatz. Dann könnten wir reden. Und Sie brauchen Ihre einseitige Meinung nicht aus diesem Wurstmedium “Du bist Halle” holen. Dies hatte ich ja schon erwähnt. Es ist eine Schande, was hier journalistisch für ein Einheitsbrei verbreitet wird… Schämen Sie sich!“

An dieser Stelle sollte man einen Ausflug auf den Facebook-Account der Ärztin, die also für die Sportklinik Halle tätig ist, wagen [2]: An Widerlichkeit ist dieser Post, der auch am gestrigen Tage (02.05.2020) abgesetzt wurde, nicht zu überbieten. Hier sollte sich nicht nur Frau Dr. Silbersack die Frage stellen, wer sich zu schämen hat. Auch Herr Andreas Silbersack samt seiner FDP Halle sollten schnellstmöglich in sich gehen und überlegen, was da genau schief läuft. Und ob es gewollt ist, dass ein „Spitzenpolitiker“ zusammen mit AkteurInnen der Neuen Rechten auf einer Demonstration präsent sein muss und damit der Eindruck entsteht, es käme zu einem weiteren Schulterschluss zwischen Liberalen und Rechten.

Zudem MUSS die Sportklinik Halle zu diesem Vorfall Stellung beziehen und sich klar von Frau Silbersack distanzieren. Denn was sie hier zeigt, lässt jede Form von Anstand und Würde, die sie selber verlangt, vermissen.

Wir schließen uns der Verfasserin eines Kommentars unter Frau Silbersacks Facebook-Posts an: „Sind die Ehefrau eines Politikers und posten so etwas? Was genau ist bei Ihnen passiert. Es ist eine Schande, ein Armutszeugnis und ein Schlag ins Gesicht aller Opfer der NS Zeit.“

Quellen:

[1] https://dubisthalle.de/meditieren-und-tanzen-zu-pippi-langs…

[2] www.facebook.com/photo.php?fbid=710735969663233&set=pb.100021805089003.-2207520000..&type=3&theater

Alerta — der 1. Mai und die Gefahr von rechts

22. April 2020 by halle mag dich

Der 1. Mai ist als “Tag der Arbeit”, “Tag der Arbeiterbewegung” oder “Internationaler Kampftag der Arbeiterklasse” auch in Deutschland ein gesetzlicher Feiertag. Seit den 1980er Jahren erlebt die Bundesrepublik neben politisch organisierten Demonstrationen auch regelmäßig “Ausschreitungen”. Zum Beispiel in Städten wie Berlin oder Leipzig. Diese und weitere Städte bereiten sich nun – obgleich in Anbetracht der aktuellen krisenbedingten Auflagen keine Demonstrationen stattfinden dürfen – auf Demonstrationen und Ausschreitungen, die allesamt von “Linksextremen” organisiert werden, vor.

Laut Medienberichten finden sich im Internet “zahlreiche Aufrufe zum Demonstrieren in verschiedenen Städten. Auf der linksradikalen Seite Indymedia heißt es, in ganz Deutschland seien „Spontandemonstrationen, Autokorsos und Flashmobs“ sowie andere unangemeldete Proteste angekündigt”  (MZ vom 20.04.2020, Artikel: “Linksradikale wollen trotz Corona-Beschränkungen protestieren“ [1]). Auch die LVZ berichtet, weniger populistisch als die MZ, dass sich die linke Szene für den 1. Mai mobilisiert. [2] Untermalt sind die Artikel, je nach Laune der jeweiligen Zeitung, mit Bildern vermummter Menschen, die Bengalos schwingen oder mit einem Bild, auf dem ein Feuerwehrmann zu sehen ist, wie er ein vermutlich von Linksextremen verursachten Brand löscht. Dass weitere große und kleine Tages- und Online-Zeitungen in die gleicher Kerbe schlagen, dürfte klar sein.

Deutschland hat, wie jedes Jahr, Angst vorm 1. Mai.
Deutschland hat, wie immer, Angst vor Linken. 

Am 20.04.2020 durfte in Dresden unter dem Motto “80 für 80 Millionen” die islam- und ausländerfeindlichen Pegida-Bewegung aufmaschieren [3]. Das OK dafür gab´s vom Dresdner Ordnungsamt höchstpersönlich. Dass sich der Dresdner Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) von der Entscheidung des Ordnungsamtes überrascht zeigte und offiziell schlussendlich “nur” 15 angemeldete Personen an der Versammlung teilnehmen durften, täuscht nicht über die Tatsache hinweg, dass Dresden den Pegida-Nazis mehr oder weniger den roten Teppich ausgerollt hat und ihnen direkt zum 20.04. quasi ein Geschenk machte. Auch in Chemnitz durften sich am 20.04.2020 “bis zu 15 Personen plus Organisatoren versammeln” wobei Medienberichten zufolge bis zu 300 Rechtsextreme zum Karl-Marx-Kopf an der Chemnitzer Brückenstraße kamen. [4]

Grundlegend gibt es sehr eigenartige Wahrnehmungen in der Öffentlichkeit, geht es um die Gefahren von rechts und links. Überraschung! Und die Medien tragen einen nicht geringen Teil dazu bei. Überraschung! So werden sie nicht müde, auf die “ linke Bedrohung” hinzuweisen und finden immer wieder Wege, das Bild der Linken unmittelbar mit Gewalt zu verknüpfen. Überraschung! Und während so kurz vor´m 1. Mai nochmal auf die “Linksextremisten” geschaut wird, werden die Rechtsextremisten nahezu vergessen. Gerade in Krisenzeiten – und in einer solchen Befinden wir uns seit Ausbruch der Corona-Pandemie – ist das brandgefährlich. So sehen die Rechten in der Krise eine Chance, mit Fake-News, Desinformation und feinsten Verschwörungstheorien, neue Unterstützer*innen zu generieren und somit von der Corona-Pandemie zu profitieren [5]. Seit Ende März hat zum Beispiel “Ein Prozent” einen „Podcast zur Corona-Krise“ auf Spotify [6]. Warum einer der größten Streaming-Anbieter den Nazis Platz für ihr Gedankengut gibt, bleibt rätselhaft und zeigt zugleich, dass die Gefahr von rechts weiterhin unterschätzt wird.

“Besondere Zeiten erfordern besondere Maßnahmen” – in dieser besonderen Zeit ergreift man besondere Maßnahmen: weiterhin wichtige aber offensichtlich unbequeme Themen scheinen gewollt aus dem öffentlichen Bewusstsein verdrängt und in die dritte, vierte oder gar fünfte Reihe geschoben zu werden. Das kontinuierliche Ausblenden der Gefahr von rechts und eine unverhältnismäßige Fixierung auf die vermeintliche Gefahr von links ist mittlerweile keine besondere sondern eine übliche Maßnahme – in besonderen Zeiten ist das besonders gefährlich!

Und so stellt sich die Frage, wovor Deutschland wirklich Angst haben sollte.

 

Quellen:

[1] https://www.mz-web.de/politik/1–mai-demonstrationen-linksradikale-wollen-trotz-corona-beschraenkungen-protestieren-36581430

[2] https://www.lvz.de/Leipzig/Polizeiticker/Polizeiticker-Leipzig/Linke-Szene-in-Leipzig-mobilisiert-fuer-1.-Mai-Bestehende-Verhaeltnisse-angreifen

[3] https://www.sueddeutsche.de/gesundheit/gesundheit-dresden-pegida-co-protest-gegen-versammlung-rechter-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-200420-99-762783

[4] https://www.neues-deutschland.de/artikel/1135750.corona-und-die-extreme-rechte-rechte-corona-partys-in-sachsen.html

[5] www.br.de/nachrichten/netzwelt/corona-and-extremisten-ii-widerstand-gegen-die-neue-weltordnung,RwPCZcG?fbclid=IwAR20Ed4oskhzyZduqAskgQ5_09qGz7MGec7q-hgtPSk4J9nf6GivA5R6zn4

[6] https://www.belltower.news/rechter-podcast-ein-prozent-bei-spotify-98447/

 

Covid-19 — Rechtsextremismus — Europäische Union

17. März 2020 by halle mag dich

Außergewöhnliche Zeiten sind das. Covid-19 aka Corona fordert uns alle heraus und mensch muss sich schon arg zusammenreißen, nicht das Wesentliche aus den Augen zu verlieren. Was nicht wesentlich ist, ist loszurennen und Klopapier oder Nudeln zu horten oder allgemein Dinge auf höchst unsolidarische Weise zu hamstern.

Das Wesentliche könnte zum Beispiel sein, Ruhe zu bewahren und sich zu überlegen, was jeder Mensch selber in dieser Situation tun kann und sollte. Dazu haben wir einen recht informativen Artikel gefunden: LINK.

Auch wesentlich ist, nicht auszublenden, was noch in der Welt geschieht. An der EU-Außengrenze geschieht grad unglaublich Unmenschliches: Die griechische Küstenwache versucht mit allen Mitteln, Zehntausende Flüchtlinge aufzuhalten. Im türkisch-griechischen Grenzgebiet befinden sich zurzeit aktuellen Schätzungen zufolge immer noch zwischen 10.000 und 20.000 Flüchtlinge. Alleine Deutschland wäre in der Lage, umgehend mehr als die Hälfte dieser Menschen aufzunehmen. Das geschieht momentan nicht.

Am 15. März 2019 greift ein rechtsextremer Terrorist zwei Moscheen in Christchurch (Neuseeland) mit Gewehren an. Er ermordet 51 Menschen und verletzt 50 weitere, einige davon schwer. Vor dieser schrecklichen Tat gab es schon viele andere rechtsextremistisch motivierte Terroranschläge. Und es folgten weitere: am 9. Oktober in Halle und am 19. Februar 2020 in Hanau. Rechtsextremismus in Deutschland wird immer noch verharmlost und oftmals völlig hirnrissig mit linker Gewalt verglichen. Mittlerweile stellt der Verfassungsschutz fest, dass der AfD-Flügel erwiesenermaßen rechtsextrem ist – zu dieser Erkenntnis gelangt der VS im Jahr 2020… ohne Worte.

Wenn wir besonnen agieren und uns zum Beispiel an den #coronacodex halten, überstehen wir den neuartigen Virus.

Die Gefahr von rechts wird uns aber weiter begleiten und muss uns weiter beschäftigen – und es muss aktiv dagegen vorgegangen werden. Ebenso muss man das unmenschliche Verhalten der EU gegenüber Menschen, die sich in lebensbedrohlichen Lagen befinden, hinterfragen. Beides darf in Anbetracht von Covid-19 nicht in den Hintergrund rücken und es muss weiter darüber gesprochen werden!

Sachsen sagt dem Linksextremismus den Kampf an — und wer kämpft gegen Rechts?

6. November 2019 by halle mag dich

»Sachsen sagt dem Linksextremismus den Kampf an« schreibt die LVZ heute in einem Artikel, in dem geschildert wird, wie man jetzt vor allem in Leipzig verstärkt gegen Gewalt von Links mobil macht.

Der Tropfen, der das Faß zum Überlaufen brachte, war offensichtlich ein gewalttätiger Übergriff auf eine Bauleiterin: »Gewalt gegen Menschen, Verwüstung von Baustellen und Aufruhr gegenüber der Staatsgewalt: Wir lassen es nicht zu, dass eine linksextremistische Szene den Rechtsstaat und seine Bürgerinnen und Bürger terrorisiert!« so Innenminister Roland Wöller (CDU). (Link: https://www.lvz.de/…/Kampf-gegen-Linksextreme-in-Leipzig-Za…)

Gewalt gegen Menschen ist in keinem Fall zu rechtfertigen. Egal, wer sie ausübt.

Und „Verwüstung von Baustellen“? Das ist offensichtlich mindestens genauso schlimm (wird ja schließlich in einem Atemzug genannt). Scheinbar vor allem und gerade, nachdem sich Christoph Gröner, Chef der Leipziger CG-Baugruppe, nach einem Anschlag auf eine seiner Baustellen kritisch zum Umgang mit ebendiesem gegenüber der Stadt Leipzig, des Landes Sachsen und den Medien geäußert hat. Er war sich dabei auch nicht zu schade, in diesem Kontext den Anschlag vom 9.10.2019 in Halle zu erwähnen: „Gröner im Wortlaut: »Wir haben die Situation, dass leider Gottes die Presse, wenn ein schlimmer Anschlag wie in Halle stattfindet, tagelang nichts Besseres zu tun hat, als sich auch so damit zu beschäftigen, als gäbe es auch nur diese eine Situation. Jeden Tag kommen viele Menschen um, jeden Tag passieren viele schlimme Dinge und man versucht erst gar nicht, ausgewogen auf die Situation in diesem Land, auf diese Situation, die wir vorfinden, einzugehen.« Und ein paar Sätze später: »Ich habe in der Presse nicht gelesen, dass sich irgendeiner Sorgen um dieses Unternehmen macht.«“ (Link: https://kreuzer-leipzig.de/2019/10/29/mehr-als-geschmacklos/)

Herr Gröner, sorgen Sie sich nicht länger: Es wurde die Soko LinX gegründet. Die kümmern sich jetzt drum.

Und wer kümmert sich um die Gewalt von rechts? Seit Jahren existiert und wächst eine Szene der extremen Rechten und niemand scheint sich berufen zu fühlen, eine Soko RechtX ins Leben zu rufen und sich den unzähligen gewalttätigen Straftaten, die nahezu ausschließlich gegen Menschen gerichtet sind, anzunehmen.

Die Rede ist von Einzeltätern, die aber keine Einzeltäter sind. In Halle macht man sich (zu recht) gegen Gewalt, Rassismus und Antisemitismus stark und vermeidet es dabei aber geschickt, das Kind beim Namen zu nennen: Rechtsextremismus! Wo wäre das Problem, stünde auf den schwarzen Sonder-Trikots des HFC „Zusammen gegen Nazis“ oder „Zusammen gegen Rechts“? In dieser Aussage vereint man alles: Gewalt, Rassismus und Antisemitismus.

Das Problem liegt nicht bei einem Verein oder einer Stadt. Oder einem Bundesland. Der Umgang mit rechts ist ein staatliches Problem: man misst mit zweierlei Maß, weil man sich das rechte Auge seit Jahren zuhält!

Im Artikel „Wenn der Staat nicht will“ (erschienen am 24.10.2019 in der jungle.world) erklärt der Autor den Umgang des Staates mit der Gewalt von Rechts und von Links: »Dem Linksextremismus stellte sich der deutsche Staat mit aller Macht entgegen. Beim Terror von rechts passiert erstaunlich wenig.«

RAF-Fahndungsplakat.
Bild: HAUS DER GESCHICHTE BADEN-WÜRTTEMBERG

Identitäre stoppen! Für Solidarität ohne Grenzen. – Demo am 20.07.2019

26. Juni 2019 by halle mag dich

Am 20. Juli 2019 ruft „Halle gegen Rechts – Bündnis für Zivilcourage“ zur Demo Identitäre stoppen! Für Solidarität ohne Grenze auf. Hintergrund ist eine von der „Identitären Bewegung“ für den 20. Juli angekündigte Demonstration in Halle (Saale) / Hauptbahnhof. Diese Demo wird unter dem Motto „Europa verteidigen. Es bleibt unsere Heimat“ stattfinden.

Im Juni 2017 eröffnete die IB in Halle (Saale) in der Adam-Kuckhoff-Straße 16 ihr Hausprojekt, das vom ersten Tag an als rechtsextremes Zentrum einzuordnen ist. Ziel des „Wohnprojektes“ war und ist es, einen weiteren Anlaufpunkt für die Neue Rechte zu schaffen und neue Mitglieder und Mitstreiter*innen zu gewinnen. Dies wollte man vor allem mit kleinen und augenscheinlich harmlosen Aktionen schaffen: Ob dies nun ein Stand zum Hochschulinformationstag war oder man zur Adventszeit einen „traditionellen“ Weihnachtsmarkt im Hof der AKS16 ausrichtete. Letzter Coup ist das hauseigene Lokal, in dem sich Patrioten regelmäßig zum illustren Austausch bei Bier und Brezel treffen können. Man möchte Teil der Mitte der Gesellschaft sein und mit Freizeitveranstaltungen und gar Buchabenden zeigen, dass man doch gar nicht so schlimm ist.

Seitdem sich die IB entschieden hat, ihr „Zentrum“ in unmittelbarer Nähe zum Steintor-Campus zu öffnen, machen sich regelmäßig Menschen gegen die IBster gerade. Egal, ob dies durch die Anwohner*Innen-Initiative oder durch Demonstrationen vor dem Haus geschieht — die Hallenser*innen zeigen, dass sie keine Nazis in der Stadt haben wollen.

Die von der IB initiierte Demo am 20. Juli, zu der auch mehrer Sympathisant*innen und Anhänger*innen der Neuen Rechten über die Stadtgrenzen hinaus mobilisiert werden sollen, kann als Kampfansage verstanden werden. Oder als der letzte Strohhalm, an dem man sich verzweifelt klammert. Einladungen zum Weihnachtsmärktchen und Buchabend werden offenbar dankend abgelehnt oder eben ignoriert. Wenn die IB einen Informationsstand stellt, stehen die selbsternannten Europa-Retter meist alleine da und bleiben auf ihrem Info-Material sitzen. (Okay, ganz alleine stehen sie nicht da: gleich gegenüber gibt´s meist mehrere Dutzend Demonstrierende). Auch in der AfD (also den eigenen Reihen) spricht man mittlerweile davon, dass das Projekt gescheitert sei. Erfreulich.

Die Gefahr, die von der „Identitären Bewegung“ ausgeht, ist aber weiterhin nicht zu unterschätzen – und allgegenwärtig. Seit der Eröffnung des Hausprojektes im Jahr 2017 werden die Bewohner immer wieder auffällig. Nachdem IBler 2017 zwei Zivilpolizisten angriffen, schlugen sie Anfang 2019 wieder zu und verletzten mehrere Personen, die im Krankenhaus behandelt werden mussten.

Das Wohnprojekt in Halle ist immer noch ein Drehkreuz der neurechten Bewegung, in der gefährliche Ideologien (also braune Kackscheisse) Platz finden. Umso wichtiger ist es, immer wieder zu zeigen, dass Halle kein Bock auf Nazis hat.

 

Talib Kweli im Klub Druschba

23. Juni 2019 by halle mag dich

Nachdem der Klub Drushba am 17. Mai den homophoben und sexistischen Rapper Frauenarzt hat bei sich auftreten lassen, macht der Klub, der sonst eher durch übelst kecke Indi-Parties und Wünschediskos auffällt, erneut auf sich aufmerksam. Am 11. Juli ist Talib Kweli zu Gast. Als Anhänger der BDS-Kampagne ist Talib Kweli (mittlerweile) ein sehr fragwürdiger Künstler.

Die AG Antifa gab dazu eine Pressemitteilung heraus und rief die Drushba auf, das Konzert abzusagen. Das können wir nur unterstützen. Nur vergisst die AG eine wichtige Sache: die Jungs von Salty Soundz sind Veranstalter und sie mieten sich in den Klub ein. Gastgeber sind aber durchaus beide.

Wir haben uns die Frage gestellt, wen man jetzt einen Vorwurf machen kann und denken, dass vor allem den Jungs von Salty Soundz klar werden muss, mit welcher Ignoranz sie streckenweise ihre Bookings kuratieren.

Über die Jahre hat Salty Soundz durchaus einiges für die lokale Rap-Szene getan: Da kamen Künstler, von denen man vor einigen Jahren als Hallenser*in wahrscheinlich nur geträumt hätte. Doch es reicht nicht aus, einfach mal die Stars der eigenen Kindheit nach Halle zu holen, ohne zu berücksichtigen, wie sich eben diese Stars von früher im Heute und Jetzt (vor allem politisch) positionieren. Auch ist es nicht cool, irgendwelche homophoben, sexistischen und gewaltverherrlichenden „Musiker“ nach Halle zu holen, ohne zu checken, was man damit auslöst — und wie daneben man eigentlich ist, wenn man diesen Scheiss auch noch supportet!

Salty Soundz hat sich einen gewissen Status in Halle erarbeitet. Sie haben durchaus eine Relevanz. Vielleicht nutzen sie diese Relevanz und zeigen, dass Rap auch anders geht: ohne Sexismus, Rassismus, Antisemitismus und Homophobie.

Zum Klub Drushba: Solange es Locations gibt, die offenbar ohne kritisch nachzufragen, zu googlen oder nachzudenken zu allen Ideen eines augenscheinlich unreflektierten Veranstalters „Ja und Amen“ sagen, werden Sexismus, Rassismus, Antisemitismus und Homophobie immer wieder einen Platz in der Club- und Musiklandschaft finden. Und das ist einfach mal Scheisse!

Update 26.062019:

Mittlerweile hat der Veranstalter das Konzert mit Kweli abgesagt – und ein Statement abgegeben. Auch der Klub Drushba äußerte sich zur Absage mit einem Statement.