Die „Mädels“ von TV Halle – eine Geschichte voller Missverständnisse?
TV Halle ist unser Lokalsender. Nahezu alle Menschen, die aus Halle kommen oder in Halle wohnen und leben, kennen den Regionalsender, der am 5. April 1998 den Sendebetrieb aufgenommen hat. Viele lieben die ambitionierte Berichterstattung (vor allem im Sportbereich!) und Sendungen wie „Hallo Halle“ oder die über die Stadtgrenzen hinaus bekannte „Sommertour“. Der Sender stellt einen Mehrwert dar.
TV Halle findet – oder fand (1) – aber nicht nur im linearen Fernsehen statt. Natürlich betreibt TV Halle auch Kanäle auf weiteren Plattformen, zu denen auch soziale Netzwerke wie Facebook und Instagram zählen. Den Accounts folgen insgesamt knapp 90.000 Menschen (Stand August 2022: Facebook 61.352, Instagram ca. 26.800), was eine beträchtliche Reichweite vermuten lässt. Warum der Regionalsender in den sozialen Netzwerken aktiv ist, sollte klar sein: schnelle, direkte Berichterstattung und zeitgemäßes Agieren, um noch mehr Menschen zu erreichen. Auch die, die kein Fernsehgerät ihr eigen nennen.
Die Verantwortlichen bei TV Halle haben zwar die Notwendigkeit der sozialen Netzwerke erkannt, die Betreiber*innen der Social-Media-Accounts jedoch offensichtlich nicht ganz verstanden, wen sie erreichen wollen und tatsächlich erreichen – und das zeitgemäß.
In einem Bericht aus dem Jahr 2020 über die Spiele der Gisa Lions, einem in Halle ansässigen Frauenbasketballteam, spricht TV Halle nicht zum ersten (und nicht zum letzten) Mal von den „Mädels“ anstatt von Basketballspielerinnen oder einfach Frauen (2). Natürlich wurden Hinweise, dass die Nutzung eines Diminutivs in Bezug auf Menschen niemals gut ist und in diesem Kontext zur Reproduktion von Stereotypen führt, ignoriert und Frauen aus einem sportlichen Umfeld wurden weiterhin als „Mädels“ bezeichnet. Auffällig war, dass zum Beispiel die männlichen Akteure des Halleschen Fußballclubs nie als „Jungen“ oder „Buben“ bezeichnet und der Diminutiv nicht angewendet wurde.
Zur Frauenfußballeuropameisterschaft 2022 berichtete natürlich auch der Lokalsender darüber, wie die deutsche Frauen-Nationalmannschaft in England von Sieg zu Sieg eilt – und spricht erneut mit aller Konsequenz von „Mädels“ anstatt von Fußballspielerinnen oder Frauen (3).
Seit Jahren kämpfen die Frauen der deutschen Nationalmannschaft für Gleichberechtigung, Chancengleichheit und die Wertschätzung, die sie verdient haben. Diesen Kampf konnte man vor allem in den Sozialen Medien selten so gut beobachten und erleben wie dieses Jahr zur Euro 2022. Auch im linearen Fernsehen: „Die Fußball-Europameisterschaft hat auch in Deutschland für Rekord-Einschaltquoten gesorgt. Das liegt nicht nur am spielerischen Niveau, sondern auch am gesellschaftlichen Wandel, (…). (4)
In einem Artikel in der MZ (1) wird über den Grund der Einstellung des linearen Sendebetriebs gesprochen: die Sendestrategie werde „zukunftsfähig neu ausgerichtet“, da das ‚lineare Fernsehen in Zeiten von Streaming und Digitalangeboten immer mehr an Bedeutung‘ verliere. Vielleicht ist es ratsam, sich auch gesellschaftlich neu auszurichten und sich auf allen Ebenen und in allen Bereichen des Medienlebens zukunftsfähig zu gestalten.
Quellen, Verweise, Links:
(1) https://www.mz.de/lokal/halle-saale/ab-august-on-demand-tv-halle-stellt-linearen-sendebetrieb-ein-3416580
(2) https://www.facebook.com/hallemagdich/posts/3635301829825836
(3) https://www.facebook.com/hallemagdich/posts/5356224707733531
(4) https://www.deutschlandfunk.de/kommentar-das-momentum-fuer-fuessball-der-frauen-ist-da-100.html
(5) https://daserste.ndr.de/panorama/archiv/2022/Fussballerinnen-Sexismus-und-dumme-Sprueche,fussball3490.html
(6) https://www.schreiben.net/artikel/diminutiv-verniedlichung-6518/